Vom Wüstenrand zum Meeresstrand
Eine Durchquerung des Elburs-Gebirges (Iran)
von Teheran ans Kaspische Meer.
3. Über die hohen Pässe

Eine achttägige Weitwanderung von Teheran ans Kaspische Meer
Erwandert und beschrieben von Hans Losse
Als Lehrer an der Deutschen Schule Teheran lebte ich von 1973 bis 1980 in Persien. Mir gefällt dieser bis 1934 gebräuchliche Name des heutigen Iran für dieses schöne alte Kulturland immer noch besser.
Bergwandern war damals meine Lieblingstätigkeit in den Ferien und in der Freizeit an den Wochenenden. Meine abenteuerlichsten und erlebnisreichsten Weitwanderungen habe ich in jener Zeit gemacht. Veröffentlicht wurden bisher die beiden Varianten dieser Tour mit dem Titeln „Über die Dörfer“ und „Durch die langen Täler“. Insgesamt habe ich das Elburs-Gebirge also dreimal auf verschiedenen Routen in jeweils acht Tagen überquert (1975, 1976, 1977). Wer möchte, kann die Touren heute in vermutlich ähnlicher Weise wiederholen. Es wird sich in der Bergwelt des Elburs auch nach so vielen Jahren nur wenig verändert haben. Diese Route „Über die hohen Pässe“ führt nur an wenigen winzigen Dörfern vorbei, und man muss auf dieser Tour damals wie heute im Bergsteigerleichtzelt übernachten und sein gesamtes Proviant (bis auf Wasser) mit sich führen. Wir wanderten zu zweit; mein Begleiter war mein Kollege und Bergkamerad Wilfried Reichel. Unsere Rucksäcke wogen 17 kg, wovon 5 kg Proviant waren. In den armen Dörfern kann man bestenfalls etwas Brot (Nun) bekommen. Alle Bergbewohner sind Selbstversorger.
Wir wanderten im Hochsommer (Juli 1977), Regenbekleidung ist im Hochsommer nicht erforderlich. Von Mai bis Oktober regnet es im Elburs-Gebirge nicht.
Unsere Wanderung beginnt in Mansarieh, einem nördlichen Vorort Teherans in ca. 1900 m Höhe. Die Ortsbezeichnungen können sich nach der Islamischen Revolution geändert haben, aber sicher nur in wenigen Fällen; selbst Shahabad heißt heute erstaunlicherweise noch ebenso.
Wir wandern am ersten Tag an der Berghütte Kolakchal vorbei und durch das Tal Zarindarreh zu dem ersten 3500 m hohen Pass. Links von uns liegt der 3956 m hohe Towchal, der Hausberg Teherans. An einem Hirtenlager vorbei geht es zu dem kleinen islamischen Heiligtum Emanzadeh Shekar Ab. Nach 10 ½ Stunden schlagen wir unsere Zelte am Rande von Kirschgärten auf, sie gehören zum Dorf Ahar, das mit Teheran noch durch eine asphaltierte Autostraße verbunden ist.
Am zweiten Tag geht es zu einem 2600 m hohen Pass hinauf und zu den wenigen Häusern des Dorfes Meygun hinunter. Es erfolgt ein zweiter Anstieg zu einem Pass (2500 m). Nach der Überquerung dieser Kette und nach 10 ¼ Stunden Gehzeit zelten wir in dem Tal Darreh-ye-Leyani.
An dritten Tag passieren wir das Dorf Lalun, das damals nur auf einer schlechten Schotterpis-te erreichbar war. Im weiteren Verlauf der Wanderung müssen einige Bäche überquert werden. Es gibt keine Brücken, bestenfalls einige Übergänge auf Steinen. Manchmal müssen wir die Bäche durchqueren - natürlich in Bergstiefeln, um die Füße nicht zu verletzen. Die Füße werden anschließend eingecremt, und die Strümpfe werden gewechselt. Bei der sommerlichen Wärme (in 3000 m immer noch 20° C ) und der hohen Trockenheit der Luft ist das kein Problem. Die Bergstiefel und die am Rucksack aufgehängten Strümpfe trocknen schnell wieder. Nach 7 ¼ Stunden zelten wir am Abend des dritten Tages in einen 2800 m hoch gelegenem Trogtal.
An vierten Tag werden einige Schneefelder gequert. Das Elburs-Gebirge war zur Eiszeit vergletschert, wie Geographen der Universität Würzburg herausgefunden haben. Ich habe damals einige Geologen und Geographen beraten, wo die heute abgeschmolzenen Gletscher wohl gelegen haben könnten. Der Demavend (5671 m) hat auf seiner Nordseite heute noch einen Hängegletscher.
Wir wandern oft nur auf Pfadspuren und nach einer persischen Karte im Maßstab 1: 100000, haben aber keine Orientierungsprobleme. Einen Kompass haben wir natürlich dabei, GPS-Geräte gab es damals für Wanderer noch nicht. Die höchste Kette von 4200 m muss heute überquert werden (Colon Basteh). Wir zelten in 3700 m Höhe am See Kholnow im eiszeitlichen Trogtal Borj. Unser höchstgelegenes Zeltlager. Ab Abend baden wir in dem kalten See und am nächsten Morgen entdecken wir, dass der See von einer dünnen Eisschicht überzogen ist. 8 ¼ Stunden waren wir am vierten Tag unterwegs.
Am Morgen des fünften Tages verlassen wir unsere Zelte erst, als die Sonne sie bescheint und den Raureif abtaut. Die Zeltwände trocknen schnell. Es geht hinab in das Tal des Warange-rud. Meterhoch wächst hier der Schierling, an den grünen Hängen weiden Steinböcke, über uns kreisen Adler. Dann geht es über eine weitere Kette (Gardaneh-ye Gavan Posteh) und an einem Hirtenlager vorbei erneut in ein schönes Hochtal mit Bachlauf. 8 ½ Stunden sind wir bis zu einem schönen Zeltplatz gewandert.
Der sechste Tag führt uns in das breite Tal des Haraz-Flusses. Hier verläuft eine Schotterstra-ße, und wir passieren nach Tagen der absoluten Einsamkeit wieder einige kleine Dörfer (Uz Kala, Uz, Nikam Deh). Stolz erhebt sich der Azad Kuh (4355 m) in greifbarer Nähe links von uns. Wir standen bereits einmal auf seinem Gipfel, aber diesmal sind wir ja nicht als Gipfel-stürmer sondern als Weitwanderer unterwegs. Eine Rast im Tschaichaneh (Teehaus) ermöglicht einmal wieder Gespräche mit den freundlichen Menschen der Berge, die wohltuend freundlicher sind als manche Bewohner der Millionenstadt Teheran. Obwohl es schon Nachmittag ist, entschließen wir uns zu einer Überquerung der nächsten Kette Kuh-e-Yakli. Die Passhöhe beträgt 3350 m. Ein ungewohnter Blick bietet sich uns dar: Wolken. Unter uns liegt eine dicke Schicht von weißen Kumuluswolken. Die Nähe des Kaspischen Meeres wird spürbar. Nach 9 ¼ Stunden schlagen wir unser Zeltlager noch oberhalb der Wolkendecke auf.
Am Morgen des siebten Tages steigen wir in das große Trogtal Panjah Cham ab. Hier liegen wieder einige Dörfer (Angas, Khachah, Leygush). Wieder überqueren wir eine Schotterstraße. Die ganz große Bergeinsamkeit ist vorüber. Es beginnt der letzte Teil des großen Wanderabenteuers: Der Weg durch den Dschangal (Urwald). Nach 9 ¾ Stunden zelten wir unter Bäumen in einem engen Tal - nur noch 900 m über dem Meeresspiegel, der beim Kaspi-schen Meer, dem größten See der Erde, 26 m unter NN liegt. In den hohen Bergen gibt es an Tieren, die eventuell gefährlich werden könnten, nur Wölfe. Hier im Dschangal aber leben noch Bären und eine ganz selten gewordene und nahezu ausgerottete Tigerart. Die Tiere haben aber mehr Angst vor den Menschen, der ihren Lebensraum bedroht, als dass der Mensch sich vor ihnen zu fürchten braucht. Die Nacht im Urwald mit all seinen Tierlauten bleibt un-vergesslich.
Am achten und letzten Tag unserer Wanderung steigen wir im Tal des Rudchanh-ye-Kojur ab. Wir müssen den Fluss mehrfach auf Steinen überqueren. Ein Hindurchwaten bleibt uns er-spart, in dieser feuchten Urwaldluft würden Strümpfe und Stiefel nicht mehr trocknen. Endlich öffnet sich das Tal weit und mündet in die Küstenebene. Wir durchwandern das Dorf Mullahkola und erreichen nach fünf Stunden Gehzeit am letzten und kürzesten Wandertag den steinigen Strand des Kaspischen Meeres.
Info
Wer die Absicht hat, eine der drei Weitwanderungen von Teheran ans Kaspische Meer (Über die Dörfer, Durch die langen Täler, Über die hohen Pässe) vermutlich als Zweitbegeher durchzuführen, kann mir zur weiteren Information eine e-mail senden. Seit mehr als 35 Jahren werde ich immer wieder nach weiteren Informationen gefragt. Die Originalbeschreibungen umfassen mit den Kartenausschnitten 11 DIN A4-Seiten. Wer die Tour nachgehen möchte, benötigt diese Infos, die ich gern gegen eine Schutzgebühr von fünf Euro sende. Ich habe die Pfade auf den acht wandermap-Karten (Etappen 1 bis 8) nachgezeichnet. Beim Betrachten wählt man unter Relief am besten Google Hybrid. Mit dem Kreis und den vier Pfeilen erlaubt man die Vollbilddarstellung, und mit den +/- Tasten stellt man die gewünschte Vergrößerung ein.
Ein Visum ist für den Iran erforderlich. Die Preise für die Übernachtungen in Teheran entsprechen denen mitteleuropäischer Großstädte. Neuere genaue Karten zu erhalten, ist nicht ganz einfach.
Hans Losse, Birkenweg 5, 21684 Agathenburg, Tel. 04141-62975,
losse.agathenburg@t-online.de
Weitere Informationen von Hans Losse findet man unter diesem Link.