Auf der Murgleiter durch den nördlichen Schwarzwald

Von Rüdiger Schneider

Zum dritten Mal in Folge wollten Gabi und ich uns auch in diesem Jahr auf den Weg in den Schwarzwald machen, um dort mit unseren Freunden an einem verlängerten Wochenende eine Wanderung durchzuführen. Immer mit von der Partie waren bisher Brunhilde und Walter Wernet, die vielen von Euch inzwischen als Mitglieder und Teilnehmer der letzten zwei Jahreswanderungen bekannt sind. Sie hatten das Tal der Murg im Nordschwarzwald bei Ihrer Weitwanderung auf dem Westweg gestreift und sehr gute Erinnerungen an dieses Gebiet. Da es seit kurzem den vom Wanderverband zum Premiumweg gekürten Weitwanderweg „Die Murgleiter“ gibt, war die Entscheidung für diesen Weg schnell getroffen. Zu uns gesellen wollten sich noch Nadja und Martin aus Denzlingen bei Freiburg und tageweise Martin, unser Freund aus Alpirsbach im Schwarzwald. Bei der Planung stellten wir bald fest, dass sich die Quartiersuche für mehr als zwei Personen für jeweils eine Nacht als recht schwierig erwies. Wir hätten nur noch in hochpreislichen Hotels unterkommen können. 

 

Nun kam uns zur Hilfe, dass das Murgtal strategisch günstig liegt. Es schafft quasi eine Verbindung vom Rheintal bei Karlsruhe in den Südschwarzwald hinein. So entstand am Fluss entlang eine Zugverbindung bis nach Freudenstadt. Im ehemaligen Grenzort zwischen Baden und Württemberg, Schönmünzach, fanden wir das für drei Nächte benötigte Standquartier.

Den Tag beschließen wir ganz besonders. Baiersbronn und Umgebung ist bekannt für viele gute Köche. Im Hotel Traube Tonbach gibt es ein Restaurant, in dem wir uns in sehr angenehmer Atmosphäre von den hervorragenden Kochkünsten des Küchenteams überzeugen konnten.

Als wir am Freitagmorgen um 7,30 h in den Frühstücksraum kommen, sitzt Walter bereits bei einer Tasse Kaffee und wartet auf uns. Er war schon vor 6 Uhr von zu Hause aufgebrochen, um pünktlich bei uns zu sein. Seine Frau Brunhilde konnte leider nicht mitkommen, da sie nicht arbeitsfrei bekommen hat. Somit reduzierte sich unsere Gruppe für heute auf fünf Wanderer. Um 8,15 h war Abmarsch zum Bahnhof angesagt. Unser Wanderstart für heute ist Obertsrot, unterhalb vom Schloss Eberstein. Die S41 in Richtung Karlsruhe hält dort. Jetzt kommt uns unsere KONUS-Gästekarte zu nutze. Mit ihr fahren wir als Schwarzwald-Gäste kostenlos mit Bus und Bahn durch den Schwarzwald. Eine tolle Sache, finden wir. 

 

Den Einstieg auf die Murgleiter zu finden ist kein Problem. Man muss nur nach den zahlreich aufgestellten „Wanderschilderbäumen“ Ausschau halten. Unser Premiumweg hat natürlich ein eigenes Logo – ein geschwungenes blaues M auf grauem Untergrund, blau umrahmt. Da wir gestern bereits die ersten vier km gegangen sind, verkürzen sich unsere Tageskilometer heute auf rd. 20 km (von insgesamt knapp 70). Das ist gut so, denn zum einen ist es unser erster Wandertag und zum anderen sind knapp 900 Hm zu bewältigen. Der Tag ist jung und die Sonne scheint. Und sofort geht es die ersten 200 Meter aufwärts. Trotz der hervorragenden Markierungen fehlen uns diese nach etwa einer halben Stunde. Was war passiert? Da wir uns lange nicht mehr gesehen haben, hatten wir uns offenbar so viel zu erzählen, dass wir an einer Abzweigung den Hauptweg genommen haben – und der war falsch. Die grobe Richtung war uns klar und so stießen wir nach 10 Minuten wieder auf den richtigen Weg. Wunderbar zog er sich stetig bergauf, ohne allzu steil zu werden. Ein Wechsel zwischen Forst-wegen und Pfaden auf denen es sich sehr angenehm laufen lässt. Von der Elsbethhütte (nicht mehr als eine überdachte Aussichtskanzel) genießen wir den Blick ins Murgtal. Eine Quelle mit einem Sammelbecken dient unseren Armen als Kneippanlage. Das Wasser ist eiskalt, so dass keiner es schafft, seine Arme länger als 15 sec. hineinzuhalten. Weiter geht es aufwärts zum Rockertkopf. Die ersten 500 Hm sind geschafft. Hier treffen wir auf einen anderen Premiumweg, die Gernsbacher Runde. (www.gernsbacher-runde.de)

 

Das erste Stück des Weges vom Wanderportal bis zum Ehrenmal lassen wir ausfallen. Wir fahren mit dem Auto hinauf und gehen zum Höhepunkt der ersten offiziellen Tagesetappe, dem Schloss Eberstein. Das Schloss wurde 1272 von Grafen von Eberstein als Burg und Stammsitz erbaut. Es ging später in den Besitz des Markgrafen von Baden über und ist jetzt im Besitz einer Privatperson. Zu einem Teilbereich mit Restauration hat man heute Zugang zum Schloss. Inzwischen blinzelt die Sonne durch die Wolken. Wir stärken uns auf der Terrasse der Schlossschänke und haben dabei einen herrlichen Ausblick auf das Murgtal. Hier ist die Murg schon ein recht breiter Fluss. Wir erkennen beim Blick nach Süden, dass das Tal dort enger wird und wir ahnen, dass aufgrund dieser Enge der Fluss auch ein reißender Strom sein kann. Die Murg hat der einheimischen Bevölkerung über viele Jahrhunderte den Broterwerb gesichert. Der Holzreichtum der Wälder als Ausgangsbasis für die Papierindustrie und der reißende Fluss als natürlicher Transportweg für die geschlagenen Bäume waren die Grundlage für die berühmte Flößerkunst.

Leider war die Schwarzwälder Kirschtorte bei weitem nicht so gut wie der Ausblick. Wir gehen durch die schlosseigenen Rebenhänge hinunter nach Obertsrot, machen einen Bogen und steigen auf einem Rundweg unterhalb des Schlossberges auf schmalen Pfaden wieder in Richtung Gernsbach. Wir befinden uns nun auf den Wegen eines „Arboretum“ und staunen über die vielen verschiedenen Baumarten, die hier angepflanzt wurden. Teilweise geht es wie durch einen Urwald, so dass das Licht der Sonne nur schwerlich hindurch dringt. Um diesen Wald noch ein wenig genießen zu können, nutzen wir verschiedene kreuz und quer verlaufende Wege, treffen schließlich auf den von Gernsbach hochkommenden Murgleiterweg und gelangen wieder zurück zum Schloss.

 

Diese Runde um Gernsbach ist 42,7 km lang. Sie ist wohl in zwei Tagen gut zu laufen. In Kombination mit der Murgleiter könnte man einen Tag dieses Weges vorne dran hängen; z.B. von Hilpertsau (mit der S-Bahn problemlos erreichbar) nach Gernsbach sind es 23,5 km. 

Vom Rockert steigen wir teilweise auf schmalen Pfaden 300 m hinunter zum Fachwerkdorf Reichental. Hier sehen wir Wasserräder, die von den Bächen gespeist wurden. Heute sind sie nur noch Dekoration. Für eine ausgiebige Rast im Wirtshaus ist es uns noch zu früh. Wir beschließen, uns später ein schönes Plätzchen im Freien für unser Picknick aus dem Rucksack zu suchen. Vorher geht es durch das Brunnwiesental stetig aufwärts. Schließlich erreichen wir auf der Höhe die Hohmisswiesen. Am Rande dieser Wiesen finden wir einen schönen Rastplatz bei einer Heuhütte).

Vor rd. 300 Jahren haben Einwanderer aus Tirol bei der Urbarnisierung bereits solche typischen Hütten erbaut. Darin lagerte das Heu. Es wurde im Winter mit Schlitten oder auch auf dem Rücken in einem hölzernen Tragekorb ins Tal gebracht. Wir trafen einen der jetzigen Besitzer dieser Hütten. Er berichtete mir, dass einige Naturliebhaber es sich zur Aufgabe gemacht haben, diese Wiesen-landschaft mitten im Wald zu erhalten und zu pflegen. Im Moment sind die Wiesen voller zum Teil geschützter und blühender Blumen und Gräser. Natürlich kommt die Zeit, dass gemäht werden muss. Diese viele Arbeit wird mit der Nutzungsmöglichkeit der Tiroler Hütten belohnt. Man hat sich bescheiden, aber dennoch so eingerichtet, dass auch mal gesellig gefeiert und übernachtet werden kann.

 

Wir verlassen diese Idylle nach einer ausgiebigen Rast und streben dem Latschigfelsen entgegen. Der Felsen steht hoch über dem Murgtal. Der Zugang erfolgt über einige Holzstufen und endet in einem kleinen Holzpavillion mit schönem Blick ins Tal. Hier treffen wir heute erstmals auf andere Wanderer und das gleich mehrfach. Wir sind zuerst ein wenig irritiert. Doch schnell haben wir die Lösung. Genau an dieser Stelle kommt von Osten herüber der Westweg. Er führt gemeinsam mit unserem Weg hinab in Richtung Gausbach. Kurz vor Gausbach kommen wir noch einmal durch ein typisches Heuhüttenseitental des Murgtals. Auch hier im Kauersbachtal wird die Pflege der alten Kultur noch groß geschrieben. Ein Panoramaweg vorbei an Streuobstwiesen und Gärten macht uns einen Abstecher zur Kirche von Gausbach mit riesiger Rundfensteranlage möglich.

 

Der Weg führt uns durch das Wandertor von Forbach direkt zum Bahnhof. Wir haben unser Ziel für heute erreicht. 

Es bleibt uns noch genügend Zeit bis die Bahn kommt und somit gehen wir zur historischen Holzbrücke. Die Brücke wurde im Jahr 1778 erbaut und ist das Wahrzeichen von Forbach. Sie ist freitragend, überdacht und wird von Fahrzeugen befahren. In Europa ist sie die einzige ihrer Art. Wir stellen fest, dass sie das einzige wirklich Interessante an Forbach ist. So sind auch viele der Lokale geschlossen. Zurück zum Bahnhof. Dort wird im einfachen Biergarten auf den Zug nach Schönmünzach gewartet. Den heutigen Wandertag lassen wir gemütlich bei gut bürgerlichem Essen in unserer Unterkunft, Gasthaus Carola, Inh. Claus Roller, ausklingen. 

Samstagmorgen, kurz nach dem Frühstück taucht wie geplant Martin II (aus Alpirsbach) auf. Um 8.28 h bringt uns die Bahn wieder nordwärts nach Forbach. Wir wandern durch die Holzbrücke und nehmen auf der anderen Flussseite den ersten steilen Anstieg durch den Ort. Bei der Kapelle am Ortsende verlässt uns der Westweg. Wir bleiben auf Forstwegen gen Süden immer leicht ansteigend. Unterwegs wandern wir an Baumskulpturen vorbei. Aus Baumstümpfen wachsen Palmen, Sterne und riesige Schaschlikspieße. Wir sehen zurück nach Forbach. Unter uns die Fallrohre der Wasserleitungen bzw. Druckrohre die zur Stromgewinnung in das Elektrizitätswerk von Forbach führen. Das Wasser wird seit den 1920er Jahren durch unter- und oberirdische Rohre von der Schwarzbachtalsperre herüber geleitet. Diese war wegen Sanierungsarbeiten eingerüstet. Trotzdem gehen wir hinüber. Da wir zeitlich gut unterwegs sind, machen wir an einem der Kioske eine Rast und genießen unser zweites Frühstück mit einem Grillwürstchen. Zurück über die Staumauer und dann auf schmalem Pfad hinunter zur Sohle der Mauer. Hier unten kommen wir uns wirklich sehr klein vor. Der Stauseeauslauf ist der Schwarzbach, der uns wieder zurück zum Lauf der Murg bringen wird. Vorher streifen wir jedoch noch die Wasserfälle von Raumünzach. Ein herrlicher Platz, genau gegenüber, direkt am Bach lädt zum Verweilen ein. Hier lassen wir die Seelen baumeln und legen uns auf die Felsen, die vom Bach umspült werden, zur Mittagsruhe – kann das Leben schöner sein? Gut, dass wir uns so toll erholen konnten. Leider folgte nun eine Strecke ausschließlich über Forstwege. Letztlich sind deren Anteile an diesem Tag nach unserer Meinung zu Viele. Zum Abschluss dann doch noch ein schöner Pfad hinab ins Seitental von Schönmünzach. Noch einmal eine kleine Pause auf zwei Bänken in der Nachmittagsonne, bevor wir ein halbe Stunde später am Haus Carola ankommen. Es gibt einen kleinen Biergarten und somit für uns eine Belohnung für 19,5 km und 800 Hm.

 

An sich geht es am nächsten Morgen direkt von Schönmünzach los, weiter nach Baiersbronn. Die Variante, morgens mit der Bahn zu fahren, hat uns so gut gefallen, sodass wir auch heute, am Sonntag, wieder zum Bahnhof gehen und den Zug nach Baiersbronn nehmen. Vorher verabschieden sich Nadja und Martin von uns.

In Baiserbronn hat im Bahnhofsgebäude das Wander-Informationszentrum bereits geöffnet. Wir erfahren, dass es ebenfalls ab hier den premierten Weitwanderweg „Seensteig“ gibt - 84 km; 5 Etappen; ebenfalls mit Murgleiter gut kombinierbar.

 

 

Zur Murgleiter geht es durch den Kurpark und hinter dem Ort über Wiesenhänge. Ab hier wird es wieder wunderschön. Immer am Waldesrand entlang, hinein ins Tonbachtal. Auf der gegenüberliegenden Seite taucht bald das Hotel Traube Tonbach auf. Nach und nach wird das Tal ein wenig enger. Blumenwiesen begleiten uns. Eine Holzhütte wurde umgebaut und dient uns als Rastplatz. Weiter oberhalb überqueren wir den Tonbach auf eine Holzbrücke mit Schleusentor. Solche Schleusen wurden seiner Zeit benötigt, um den Transport der Holzstämme über die Bäche und Flüsse möglich zu machen. Nun wandern wir auf schmalem Pfad, so wie wir es mögen, hinauf auf die Höhen und erreichen nach einem Ab und Auf schließlich auf 950 m einen Aussichtspunkt mit Blick auf den Hutzenbacher See, ein Kaarsee. Eine große Schleife (wg. der weiten Aussicht) über Forstwege mit einem steinigen steilen Abstieg auf schmalem Pfad (sehr schön) führt hinunter zum See. Eine Bank ist der rechte Platz für unsere Mittagsrast. Leider ist es zu früh in der Jahreszeit, so dass die Seerosen ihre Blüten noch geschlossen haben. Von hier wandern wir abwärts nach Hutzenbach. Ein Wassertretbecken kommt uns bei sommerlichen Temperaturen gerade recht. Schnell sind die Schuhe ausgezogen und die Füße abgekühlt. Der letzte Abschnitt hinunter ins Murgtal ist kurz und steil. Zwei Sternehotels werben hier in Schwarzenberg um Gäste. Am hiesigen Bahnhof verabschiedet sich Martin II um 15 Uhr von uns - und da waren wir nur noch Drei.

Das Wetter passt, obwohl sich schon einige Gewitterwolken aufbauen. Wir wollen schließlich die ganze Tour erwandern und gehen weiter. Vom Tal geht es noch einmal 200 m aufwärts. Wir haben den Ort, der etwas oberhalb liegt, vor Augen. Beim ersten Bauernhaus steht eine „Selbstversorgungsstation“. Es ist ein kleiner Leiterwagen mit selbst produzierten Köstlichkeiten (Marmelade, Schnäpse, Liköre usw.). Hier ist Einkauf noch Vertrauenssache. Genauso beim nächsten Hof. In einer Tränke haben wir die Wahl zwischen drei Schnapssorten. Walter und ich können hier nicht ohne Stärkung vorüber gehen. Diese war auch nötig. Der Weg zieht sich in einer großen Schleife um und oberhalb von Schwarzenberg herum. Immer wenn wir gerade meinen, dass es nun genug sei mit dem Forstweg, beginnt zu unserer Freude wieder ein kleiner Pfad. Natürlich muss man die Augen offen halten.

Die Beschilderung ist jedoch vorbildlich. Unser nächstes Ziel wird immer mal wieder durch kleine Zeichen an den Bäumen angekündigt – das Panoramastüble hält was es verspricht. Es ist eine neue, sehr gepflegte Holzhütte. Von hier geht der Blick von der Leiter ins Murgtal. Obwohl der Himmel nicht mehr so freundlich ist wie noch am Vormittag, nehmen wir uns die Zeit und machen auf der Terrasse eine ausgiebige Jause und lassen diesen schönen Wandertag schon beinahe ausklingen. Es folgt noch ein perfekter Schlussabstieg etwa eine halbe Stunde nach Schönmünzach. Es ist 18 Uhr. Wir sind genau im Plan. Heute waren es 25 km und wieder 900 Hm.

Schnell ist die Kleidung gewechselt. Walter bringt uns zum Bahnhof und fährt heim. Mit der Einfahrt des Zuges fallen die ersten Regentropfen – schön für die Natur und schön für uns, denn wir sitzen im Trockenen und reisen bequem heimwärts

Originalbericht aus der Mitgliederzeitschrift Nr. 91
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